Nepal - Teil 2: I am on top of my world

Wie in Teil 1  meines Nepal-Berichts bereits angekündigt, folgt nun endlich der zweite Teil. Nepal ist ein wundervolles Land, das definitiv Aufmerksamkeit verdient. Auf der einen Seite bietet Nepal Kultur ohne Ende, leckeres Essen, spannende Begegnungen und unglaublich viel zu sehen. Die meisten Touristen, die nach Nepal kommen haben allerdings noch ein ganz anderes Ziel. Die Berge des Himalaya. Viele tausende Menschen strömen jedes Jahr nach Nepal um zumindest einen Blick auf die höchsten Berge der Welt zu erhaschen und stehen dann Schlange am Aussichtspunkt und hoffen auf einen Windstoß, der die Wolken vor dem Mount Everest zur Seite pustet. Auch ich habe mich mit meiner Familie dem Strom der Menschen angeschlossen und habe  den Mount Everest Base Camp Trek gemacht. 

Um von Kathmandu, der Hauptstadt, in die Himalaya-Region zu kommen, haben wir die waghalsige Reise mit dem Propeller-Flugzeug angetreten. Natürlich ist ein solcher Flug zuerst einmal etwas abenteuerlich, aber genau das haben wir auf unserer Reise auch gesucht. Bereits am ersten Tag ging es von Lukla, wo sich der kleine Flugplatz mit extrem kurzer Landebahn befindet, nach Phakding. Das Dorf liegt in einem Tal, noch tiefer als Lukla, auf 2650m Höhe. Dort besuchten wir die erste Bakery (viele weitere sollten folgen) und tranken Tee und aßen Apple Pie. Die erste Nacht im Schlafsack war weniger schlimm als zuvor gedacht. Die Betten sind zwar gerade so breit, dass man eben darauf liegen kann, die Wände nur einen Zentimeter breit, aber immerhin ein Dach über dem Kopf und eventuell einige wenige Grad wärmer als draußen. Es ist auch manchmal ganz nett, sich mit dem Zimmernachbar durch die Wand unterhalten zu können.

In der Region unterhalb der 4000m begegneten uns wunderschöne Landschaften, die berühmten Rhododendron-Bäume, grüne Wiesen, bebaute Äcker. Unsere nächste Etappe führte uns von Phakding nach Namche Bazaar, der Hauptstadt der Sherpas. Der größte Ort in der Umgebung. In Namche Bazaar gibt es viele kleine Souvenir-Shops, einen großen Markt und unsere geliebten Herman Bakery (deutsche Bäckerei). Ein sehr großer Prozentteil der Touristen auf dem Base Camp Trek sind Deutsche. Immer wieder trifft man sie. Überall. Deswegen ist es auch ganz klar, dass man sich in der deutschen Bäckerei in Namche immer wieder trifft. Die Schokoladen-Donuts und die Cookies sind wirklich zu empfehlen. Auch ist diese Bäckerei vermutlich der einzige Ort, an dem man relativ sorglos einen Cappuccino trinken kann. In Namche legten wir unseren ersten Akklimatisationstag ein, den wir befanden uns schließlich schon auf 3440m Höhe. An diesem Tag sahen wir zum ersten Mal den Everest, bevor er hinter einer dicken Nebelwand verschwand.

Unser Weg führte über viele Hängebrücken wie diese. Normalerweise mache ich um solche Brücken einen großen Bogen, aber seltsamerweise machten sie mir dort überhaupt nichts aus. Man sollte keine zu großen Schritte machen und es auch tunlichst vermeiden hinter einer Karawane Yacks herzuspazieren, denn die Brücke wackelt ordentlich. Wer nach oben will muss drüber.

Auf dem Bild oben sieht man, wie hoch die Brücken manchmal sind. Es wird nur noch die obere der beiden genutzt. Die Rinder, die Träger, die Touristen, alle müssen über dieselbe Brücke. Alle gehen denselben Weg. Wenn man sich einmal getroffen hat, ist ein Wiedersehen vorprogrammiert. Denn auch die Orte, an denen übernachtet wird, sind bei jedem in etwa gleich.

Was die Träger leisten ist wirklich unglaublich. Sie marschieren in fast doppelt so schnellem Tempo den Berg hinauf. Sie tragen oft nur Flip-Flops. Ein Träger trägt um die vierzig Kilo und ist dabei noch weniger geschafft als wir, die mit unserem kleinen Tagesrucksack schon mächtig außer Atem kommen. Nicht nur einmal fühlte ich mich regelrecht schlecht, dass jemand anders meine schwere Tasche tragen musste. Und doch freuen sich die Menschen, wenn sie einen Job haben. Am Trinkgeld für die Träger zu sparen ist also wirklich nicht angebracht.

Auf unserem Weg kamen wir natürlich auch zu einigen Klöstern, in diesem hier in Khumjung kann man den angeblichen Schädel eines Yetis bewundern. Natürlich für eine kleine Spende. Ob es den Yeti wirklich gibt und ob dieser Schädel wirklich zu einem Yeti gehört kann ich euch auch nicht sagen. Aber wenn man will, kann man daran glauben ;).

Von Namche Bazaar ging es dann weiter nach Tengboche (ein Zimmer in der Lodge mit eigener Toilette, wir waren im Himmel auf Erden!!!), wo wir eine Nacht auf 3820m verbrachten und am nächsten Morgen zum ersten Mal unseren eigenen Atem im Frühstücksraum sehen konnten. Frühstück im Haus, in Daunenjacke und Mütze, ab hier war das normal. 

Die nächste Etappe führte uns nach Dingboche auf 4400m Höhe und auch hier freuten wir uns über ein Plumpsklo, das für zwei Nächte nur uns allein gehörte. Eins ist klar, man freut sich über die kleinen Dinge. Auch hier legten wir einen Ruhetag ein, an dem meine Schwester, unser Bergführer und ich eine kleine Tour zur Akklimatisation unternahmen. Das erste Mal über 5000m! Und nur eines konnte unsere Freude trüben. Die Höhenkrankheit. Meine Mutter war über Nacht krank geworden. Die Höhenkrankheit zeigt sich durch Schwellungen, sehr starke Kopfschmerzen und Übelkeit. Wenn man rastet und sehr viel Wasser trinkt, kann es sein, dass sie der Zustand verbessert und man weiter aufsteigen kann. So war es leider nicht in diesem Fall. Meine Mutter musste absteigen und möglichste schnell unter die Höhe kommen, bei der die ersten Anzeichen auftauchten. Damit war unsere Tour plötzlich in Gefahr und wir wussten nicht, ob wir es noch bis zum Everest Base Camp schaffen würden. Gemeinsam stiegen wir als Familie wieder nach Tengboche ab. Dort verabschiedeten wir uns. Wir sollten uns erst in einer Woche wiedersehen. Mein Vater, meine Schwester, der Bergführer und ich stiegen wieder auf. 

Nach einem Tag ohne Telefon-Empfang und ohne das sonst so stark verbreitete Wifi konnten wir erst am nächsten Tag erfahren, dass es meiner Mutter gut ging. Mit dem einen verlorenen tag mussten wir nun an jedem tag größere Etappen zurücklegen. Wir schafften es am übernächsten Tag nach Gorak Shep. Das letzte Dorf vor dem Everest Basislager. Da das Wetter an diesem Nachmittag so strahlend schön war, beschlossen wir, noch am selben Tag auf den Aussichtsberg Kala Patthar (5550m) aufzusteigen. Von dort hatten wir die beste Aussicht der gesamten Reise. Den Nuptse (7861m) und den Mount Everest (8848m) direkt vor der Nase kämpften wir uns Schritt für Schritt in der sauerstoffarmen Luft nach oben und erreichten den Gipfel. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es sein muss auf den höchsten Berg der Welt zu steigen. Denn schon bei über 5000m war bei mir jeder Schritt unglaublich schwer und ich brauchte ewig um auch nur ein paar Meter vorwärts zu kommen. Doch der Ausblick entschädigte für alle Strapazen.

Um nur eine Nacht in Gorak Shep (5190m) verbringen zu müssen und die Höhenkrankheit zu vermeiden, bedeutete die nächste Etappe den Aufstieg ins Everest Base Camp und am gleichen Tag den Abstieg nach Dhugla (4620m). Das Everest Base Camp zu sehen und zwischen den Zelten durchzugehen war ein tolles Erlebnis. Wer die Geschichten von den großen Expeditionen kennt, fühlte sich plötzlich wie in einem Film, in einem Buch, einer Geschichte. Wir waren dort, wo alles beginnt.

Auch wir durften in einem Basislager schlafen. Unsere Tour beinhaltete die Besteigung des Island Peak (6189m). Von den Strapazen der Tage zuvor wussten wir nicht, ob wir es wirklich versuchen sollten,  entschieden uns aber zum Aufstieg ins Basislager, wo wir unglaublich herzlich empfangen wurden und als erstes ein tolles Essen bekamen. Das beste der ganzen Reise möchte ich behaupten.  Nur mit einem Gas-Ofen zauberte unser Koch ein Essen, von dem ich noch heute träume. 

Im Basislager lernten wir, wie man sich an den Fixseilen sichert. Schon allein für das Essen und das Training hat sich die Zeit im Basislager schon gelohnt. 

Nach einem frühen Abendessen hieß es dann ab in die Zelte und schlafen. So zwischen 19 bis 20 Uhr erscheint euch als Schlafenszeit früh? Der Wecker klingelte bereits um kurz vor 1 Uhr in der Nacht, denn der Aufbruch war auf 1:30 Uhr geplant. Dick eingepackt in mehrere Schichten und den dicken Schlafsack, war die Nacht im Zelt echt angenehm. Auch wenn die Zeltwände gefroren waren war es mir fast schon etwas zu warm in meinem Schlafsack. Unser Gipfelsturm ist leider nicht geglückt, wir waren zu erledigt und müde und es war uns einfach so schrecklich kalt. Wir kamen bis auf eine Höhe von 5700m als wir uns entschlossen haben, umzudrehen. Kann sein, dass sich unsere Bergfühere darüber lustig gemacht haben, wie schnell wir aufgegeben haben. Aber ich für mich kann sagen, dass ich noch nie zuvor so gefroren und am ganzen Körper gezittert habe. Ich konnte nur zwei Schritte machen bevor ich stehen bleiben musste um eine Minute lang durchzuschnaufen und ich fühlte mich nicht in der Lage weiterzugehen. Erst kurz darauf ging die Sonne auf, den Weg hatten wir bis dorthin in völliger Dunkelheit zurückgelegt. Aber eines bleibt uns, wir werden irgendwann zurückkommen, und vielleicht das beenden, was wir begonnen haben.

Auf unserem Weg nach unten freuten wir uns mit jedem Schritt auf ein Wiedersehen mit meiner Mutter und darauf, alle unversehrt wieder zusammen nach Hause zurückkommen zu können. Auf dem Everest base Camp Trek sind uns Menschen begegnet, von denen man auf den ersten Blick nicht erwarten würde, dass sie es bis oben schaffen. Die einen bekommen die Höhenkrankheit, die anderen nicht. Niemand muss auf diesem Wanderweg sterben oder ernsthaft krank werden. Aber es ist doch ratsam auf sich und den Körper zu hören und zu wissen, wie weit man gehen kann. 

Um nicht nur Bilder in strahlendstem Sonnenschein zu zeigen, hier auch eines an einem verschneiten Tag. Denn auch das gehört dazu. Manchmal ist der einzige Ausblick den man hat, der auf die eigenen Stiefel. 

Ich fand die Reise wunderschön, trotz all der Anstrengung. Ohne Dusche, ohne normale Toiletten, die eisige Kälte, die nur für eine Stunde am Tag vom warmen Ofen vertrieben wurde, das ist es, was einen erwartet. Und bei all dem ist eines klar. Wer das Gefühl hat, wieder neu lernen zu wollen, mit wie wenig man auskommen kann, der sollte eine solche Reise antreten. Ich konnte noch nie so sehr schätzen, was wir zuhause in Deutschland haben, wie bei meiner Reise zum höchsten Berg der Welt.